Warum begann ich vor 15 Jahren das beliebteste/älteste Rollenspiel aller Zeiten zu spielen? Es war nicht meine Entscheidung allein. Wie es sich gehört wurde sie von der ganzen „Gruppe“ getroffen, die damals allerdings nur aus meinem Nachbarn und mir bestand. Eigentlich war ich mehr an Midgard und Das Schwarze Auge interessiert, welche von Freunden und Bekannten gespielt wurden. Mein Nachbar jedoch machte es für sein Mitwirken zur Auflage, dass wir unsere Rollenspielerkarriere mit „D&D“ (deutsch ausgesprochen) begannen. Wir hatten Sommerferien und waren beim Wandern in den Bergen. Er erklärte mir: „Das steht für Dungeons (ebenfalls deutsch ausgesprochen) & Dragons„. Ich hatte sogleich das Bild eines rot geschuppten Drachen vor Augen.
Da ich nicht viel über die jeweiligen Systeme und ihre Welten wusste, willigte ich also ein. Zugegeben nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen heraus, denn die Preise der abgrundtief hässlichen Boxen von Amigo jener Zeit waren im Vergleich zu unserem Taschengeld mächtig. Doch an meinem ersten Arbeitstag als Getränkelieferant und überhaupt hatte ich zusammen mit dem Trinkgeld unglaubliche 100 Mark verdient! Die viel versprechenden gelbbraunen Hässlichkeiten waren endlich bezahlbar geworden. So erstanden wir das Starter-Set, dessen Titelbild ein rot geschuppter Drache zierte.
Kurz darauf wurde ich krank. Das Bett konnte ich nur für ein paar Stunden am Tag verlassen. Die Zeit im Liegen nutzte ich um zu lesen, den Rest um am berühmten Küchentisch zu sitzen und gemeinsam mit einem zweiten Nachbarn, Vater und Mutter zu spielen. Beide Nachbarn und mein Vater spielen schon lange nicht mehr mit, meine Mutter jedoch ist neben mir das letzte Gruppenmitglied erster Stunde.
Trotz Krankheit wurden jene Sommerferien zu den vielleicht besten überhaupt, denn gegen Schulbeginn war ich wieder gesundet und drei Klassenkameraden waren zu festem Bestandteil der Gruppe geworden. In den folgenden Jahren spielten wir oft, sehr oft, nahezu täglich. Dann wurden andere Dinge interessanter, unsere Gruppe zerfiel.
Durch meine damalige Freundin erfuhr ich von Leuten die Das Schwarze Auge spielten, nun aber ihre Würfel am Urgestein D&D erproben wollten. Wir haben es miteinander versucht. Zwei sind geblieben und haben meines Wissens nach nie wieder DSA gespielt. Sie sind zu meinen besten Freunden geworden.
Heute spielen wir nicht mehr „Dungeons & Dragons„, sondern Pathfinder. Oder ist das noch D&D? Ich werde an dieser Stelle nicht versuchen eine Antwort auf diese Frage zu finden. Das Titelbild des Pathfinder-Grundregelwerks wird jedenfalls von einem rot geschuppten Drachen geziert. Scheinbar bin ich meinen Wurzeln also doch treu geblieben. Einer Frage der ich hier aber auf den Grund gehen möchte lautet:
„Warum schwelge ich in Erinnerungen an den Beginn meiner Rollenspielerkarriere?“
Im Vergleich mit den alten Hasen sind 15 Jahre vielleicht nicht wenig, aber alles andere als rekordverdächtig oder sonderlich erwähnenswert. Nach einer schweren Trennung, folgte eine längere Spielpause. Denn den Großteil meiner Rollenspielerkarriere begleitete mich eine wundervolle Frau, der ich hier für all ihre Geduld mit mir und meiner Leidenschaft danken möchte.
In diesen Sommerferien war ich allerdings wieder beim Wandern in den Bergen und die örtliche Übersichtskarte der Wanderwege zeigte einen rot geschuppten Drachen über der prägnanten Silhouette des Berges, den wir besteigen wollten. Unweigerlich musste ich an das Gespräch mit meinem Nachbarn über „Dungeons (deutsch ausgesprochen) & Dragons“ denken, an eine Entscheidung die indirekt viele Dinge in meinem Leben beeinflusst oder bedingt hatte.
Nach Monaten der Würfel-Abstinenz, verspürte ich plötzlich wieder den starken Wunsch zu spielen!
Mit dem Ende unserer Beziehung hatte ich vieles verloren, was mir Lieb und teuer gewesen ist. Darunter auch unser Geek Lair, ein Hobbyraum im Keller unserer gemeinsamen Wohnung, in dem wir ungestört zwischen Relikten vergangener Runden die Nächte durchgespielt hatten. Am kommenden Samstagnachmittag werden wir also an den Küchentisch zurückkehren, an dem alles vor 15 Jahren begann. Bei Dingen die man eigentlich liebt, die man aber bereits schon so lang tut, dass sie zu etwas gewöhnlichen verkommen sind, sollte man sich vielleicht ab und an fragen warum man sie tut, warum man sie liebt und wie alles angefangen hat.
Daher möchte ich, passend zu unserer derzeitigen Kampagne (Die Kadaverkrone), mit einem – völlig aus dem Kontext gerissenen – Zitat von Jack the Ripper (aus From Hell) schließen: „How long have you chased the dragon, … ?“
Bildnachweis: http://paizo.com/paizo/blog
Illustrator: Ben Wootten
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